Hsing I Chuan

An der Martial Arts Academy Yantai (China)

 Hsing I

 

Es war wohl Ende der 1990er Jahre auf einem Pushands Seminar, als ich das erste mal etwas von Xingyi hörte, als der Seminarleiter sagte, diese Innere Kampfkunst entspräche wohl am meissten meiner Mentalität.

Da ich bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht mal das Wort Hsing I gehört hatte, geschweige denn was sich dahinter verbirgt, fragte ich beim folgendem Abendessen in irgendeiner Gaststätte Münchens genauer nach, was es denn mit diesem Xingyi so auf sich hätte. Die darauf folgenden Ausführungen machten mich neugierig und ich fing an zu recherchieren, was sich jedoch einigermaßen schwierig gestaltete. Internet war zu diesem Zeitpunkt noch nicht so verbreitet, Literatur praktisch nicht vorhanden, Lehrer in Deutschland und somit regelmäßiger Unterricht eben so wenig.

So reiste ich zu jedem Hsing I Seminar, welches in Erfahrung brachte.

Es entwickelte sich meine Liebe zu dieser Kampfkunst. Wohlgemerkt „entwickelte“, da es keine Liebe auf dem ersten Blick war. Der Sinn der fünf Techniken, die zu allem Überfluss auch noch in „nur“ geradlinigen Bahnen laufend trainiert werden, dazu vergleichsweise im technischen Aufbau eher simpel, erschloss sich mir erst später – viel später.

Als Gesundheitsübung erschien mir das Hsing I eher untauglich, dann doch lieber Tai Chi.

Dann war da ja noch der hochgelobte kämpferische Aspekt des Hsing I. Aber auch hier wurde ich Anfangs meist enttäuscht. Was ich damals sah war wenig überzeugend, bis hin zu der Aussage „Hsing I“ könnte nicht mit Partner geübt werden, da die Techniken viel zu gefährlich seien, ließen mich fast das Hsing I Training beenden. Mein letzte Hoffnung war das Mutterland des Kung Fu. So flog ich zu meinem ersten China Aufenthalt an eine Martial Arts Schule im Nordosten Chinas, in der Nähe Yantai`s. Ich hatte wohl Glück und wurde nicht enttäuscht. Einige Wochen tägliches 8 stündiges Training wie ich es mir vorgestellt habe. Neben dem Techniktraining, Pratzen- und Partnertraining. Schweißtreibend und da ich mit meiner Tochter die einzigen zwei Xingyi Schüler waren und der Headmaster der einzige Hsing I Lehrer war, hatten wir eins zu eins Unterricht. Bei seinen Vorführungen konnte ich das erste mal wirklich den eigentlichen Charakter des Hsing I erahnen. Ich hatte bis dahin live noch nie solche kraftvollen, schnellen Bewegungen gesehen und vor allem hat er uns die Geradlinigkeit nicht nur in den Techniken, sondern im eigentlichen Wesen des Xingyi vermittelt.

In keiner anderen mir bekannte Kampfkunst zieht man „sein Ding“ so konsequent durch wie im Hsing I. Hier ist es vollkommen egal was der Angreifer tut oder nicht, man macht eben „sein Ding“. Es heißt in einem Sprichwort, „der Hsing I Kämpfer läuft über seine Gegner hinweg wie über Grasbüschel“. Das ist es was ich aus China mitgenommen habe und das ist es was meiner Meinung nach das Hsing I ausmacht. Die Techniken sind verhältnismäßig einfach und in ihrer Anzahl übersichtlich. Durch ständiges sich wiederholendes Üben werden sie automatisiert und im Sparringtraining umgesetzt. Nach einigem Üben merkt man, dass die meisten Techniken gegen alle erdenklichen Angriffe funktionieren. Man muss nur Vertrauen in sie haben und schnell sein. Nicht warten auf den Gegner, agieren nicht reagieren.

Lange Zeit hatte ich nur Privatschüler. In dieser Zeit systematisierte ich das gelernte aus meinen China Trainingsreisen zu einem Übungsprogramm, welches das Ziel hat die kämpferischen Fähigkeiten der Teilnehmer immer weiter zu verbessern und somit dem Hsing I Chuan als eine äußerst effektive Kampfkunst gerecht zu werden.

 

 

 

Hsing Ausbildung